Güttingen, Mäuseturm
Das Rekonstruktionsmodell zeigt den Mäuseturm, wie er vermutlich in Phase 2 (um 1150) aussah. Um 1150 (Phase 2) ersetzte der Blockbau einen älteren Mäuseturm, der um 1050 datiert (Phase 1). In beiden Phase war das Gebäude von fünf Pfahlreihen umgeben, die unter anderem als Wellenbrecher dienten. Zu den besonderen Funden zählen ein 3 cm grosses Glöcklein, ein Tafelmesser, zwei Spielsteine aus Knochen oder eine Zierscheibe. Weitere solche turmartigen Gebäude im See sind in Arbon, alter Hafenkopf, Rorschach Heidenländli oder Stansstad Wasserturm (Vierwaldstättersee).
Die naturwissenschaftlichen Datierungen der gefundenen Hölzer zeigen, dass die meisten Proben aus der Bronzezeit stammen (11–10. Jh. v. Chr.). Im und um die Untiefe erstreckt sich ein ca. 1,5 Hektar grosses Pfahlfeld einer mehrphasigen, spätbronzezeitlichen Siedlung. Zu dieser gehören zahlreiche Gefässkeramik und auch Bronzeartefakte, wie Lappenbeile und Schmucknadeln. Die bronzezeitlichen Funde und Befunde wurden bisher noch nicht ausgewertet.
Auch in römischer Zeit wurde beim Mäuseturm gesiedelt. Auf der Untiefe wurden römische Terra Sigillata, Spinnwirtel aus Lavez, Leistenziegel und ein eiserner Türriegel gefunden. Ein weiterer bedeutender Befund ist das das 150 m östlich des Mäuseturms liegende kleine Pfahlfeld, das ins 2./3. Jh. n. Chr. datiert. Diese Fundstelle gehört zu den wenigen römischen Fundstellen im thurgauischen Bereich des Bodensees. Die römischen Funde und Befunde wurden ebenfalls noch nicht ausgewertet.
Am 27. Februar 2019 entdeckte Beat Möckli während Taucharbeiten bei der Untiefe Mäuseturm vor Schloss Güttingen die Marmorbüste von Jakob Conrad Baumann - von Tischendorf. Dabei handelt es sich um ein bisher unbekanntes Kunstwerk der deutschen Künstlerin Julie Genthe. Die Suche nach der wahren Identität der abgebildeten Person und der Frage, wie die Büste in den Bodensee gelangte, wurde zu einer Detektivarbeit. Miriam Derungs gelang es, das Rätsel zu lösen und zwei lebende Nachfahrinnen zu finden. Unter den Familienfotos der Nachfahrinnen entdeckte sie das Beweisfoto zur Klärung der Identität. Daraufhin wurde entdeckt, dass die ältere Tochter, Victoire Boveri-Baumann, die Büste kurz nach dem Tod ihres Vaters bei Julie Genthe in Auftrag gab. Spätestens 1930 gelangte die Büste zur jüngeren Tochter, Erica Hoenig-Baumann, die mit ihrer Familie im Schloss Güttingen lebte. Nachdem Erica 1957 starb und das Schloss 1959 verkauft wurde, versenkte ihr Sohn Rudolf Hoenig die Büste seines Grossvaters im See.
Im Dezember 2024 wird in der Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte des Schweizer Nationalmuseums ein ausführlicher Artikel zur Marmorbüste erscheinen.
Zum übersichtlich illustrierten Stammbaum von Jakob Conrad Baumann - von TischendorfDokumente und Video
- Der Mäuseturm vor Güttingen TG – «… ein alt gewaltig Plockhausz …»
Auswertung der mittelalterlichen Funde und Befunde der Tauchuntersuchungen
des Amts für Archäologie Thurgau 2008, 2012 und 2017–2020 von Miriam Derungs, Publikation in der Zeitschrift «Mittelalter» des Schweizerischen Burgenvereins - Klein aber fein – Kabinettausstellung zum Güttinger Mäuseturm
Beitrag im TVO vom 22. Juni 2021 - Die Forschungen im Bodensee sind abgeschlossen
Beitrag in TVO vom 9. Mai 2020 - Filmische Dokumentation der Tauchgrabungen im Frühjahr 2020 in verschiedenen Versionen: